Otfried Lieberknecht (Berlin)
Zur Rezeption der arabischen Apologie des Pseudo-Kindi in der lateinischen Mohammedliteratur des Mittelalters {*} | |
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Die Risalat cAbdallah ibn Ismacil al-Hashimi ila cAbd al-Masih ibn Ishaq al-Kindi wa-Risalat ila al-Hashimi -- im folgenden, wenn der arabische Text gemeint ist, Apologie des Pseudo-Kindi (APK) genannt{1} --, gilt als die bedeutendste christliche Apologetik in arabischer Sprache und hat auch im lateinischen Mittelalter als Quelle über die Lehre und das Leben Mohammeds eine wichtige Rolle gespielt. Es handelt sich dabei um einen im 9. oder frühen 10. Jahrhundert in arabischer Sprache verfaßten, mutmaßlich fiktiven Briefwechsel, in dem ein Muslim (vorgeblich al-Hashimi) und ein Christ (vorgeblich al-Kindi) am Hof des ägyptischen Sultans al-Mamun einander in je einem Brief zu bekehren versuchen. Für die von Petrus Venerabilis in Auftrag gegebene Collectio Toletana wurde die APK von Petrus von Toledo unter Mitarbeit von Petrus von Poitiers 1142 in Toledo aus dem Arabischen ins Lateinische übesetzt und dann in dieser Übersetzung -- im folgenden Disputatio saraceni et christiani (DSC) genannt -- von Cluny aus in mehreren Handschriften der Collectio Toletana sowie in extravaganter handschriftlicher Überlieferung verbreitet{2}. Zusätzliche Verbreitung außerhalb der Collectio Toletana hat diese Übersetzung noch besonders durch Vinzenz von Beauvais erfahren, der um 1244 unter Angabe seiner Quelle ausführliche Exzerpte aus beiden Briefen in sein Speculum historiale (SH) aufgenommen hat{3}. Nachdem Theodor Bibliander in seiner Druckausgabe der Collectio Toletana (1543){4} nicht den Text der DSC selber, sondern nur die Exzerpte von Vinzenz von Beauvais abgedruckt hatte, geriet die vollständige Fassung der DSC zunächst in Vergessenheit, bis sie von P. Casanova Anfang des 20. Jahrhunderts in den Handschriften wiederentdeckt{5}, von Marie-Thérèse D'ALVERNY (1948) eingehend untersucht und von MUÑOZ SENDINO (1949) in einer allerdings noch sehr vorläufigen Ausgabe gedruckt wurde{6}. | |
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Zusammenfassung und Auswertung | |
Es ergibt sich also zunächst als Befund, daß außer der 1142 in Toledo entstandenen Übersetzung (DSC) auch eine zweite, möglicherweise auf anderer, aber sehr ähnlicher arabischer Redaktion beruhende lateinische Teilübersetzung aus dem Brief des Christen existierte, die in der Fassung *YMw durch die Gottfried-Handschrift (YM1) und durch Matthäus Paris (YM2) bezeugt ist und in einer weiteren, möglicherweise ursprünglicheren Fassung (*YMo) von Jakob von Vitry benutzt wurde, falls bei letzterem nicht vielmehr Kontamination der Tradition YM mit Einflüssen aus DSC oder aus dem Arabischen stattfindet oder in der Vorlage bereits vorgegeben ist. | |
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APK / \ DSC *YM / \ SH *YMo / \ JV *YMw / / \ GV YM1 YM2 / AF | |
D.h. es wäre, wie schon Daniel vorgeschlagen hat, eine Übersetzung *YM anzunehmen, die vor 1189 mutmaßlich im lateinischen Orient entstand, in einer teilweise verdorbenen Fassung *YMw vor 1189 (bezeugt durch YM1?) und ein weiteres mal um 1236 (bezeugt durch YM2) nach Europa kam, aber in der Zwischenzeit (1219/21) im lateinischen Orient in einer teilweise noch minder verdorbenen Fassung (*YMo) von Jakob von Vitry benutzt und durch dessen Vermittlung später ebenfalls in Europa wirksam wurde (bei GV / AF und anderen). Allerdings bleibt anhand der Handschriften des Pantheon zu prüfen, ob sich aus YM1 wirklich schon Kenntnis der Fassung *YMw um 1189 in Italien ergibt, oder ob der Text nicht erst nach 1236 in der Überlieferung des Pantheon interpoliert wurde, was im übrigen am Stemma nichts ändern würde. Geht man hingegen von der zweifelhaften, wenn nicht unmöglichen, Voraussetzung aus, daß Gottfried von Viterbo die Übersetzung selbst verfaßt hat und also die älteste Stufe *YM um 1189 in Italien entstand, so müßte entweder außer der um 1236 nach Europa wieder zurückgekehrten Fassung *YMw auch die Zwischenstufe *YMo aus Italien in den Orient gelangt sein (vor 1219/21) -- was am Stemma ebenfalls nichts ändern würde --, oder es müßte das Stemma modifiziert und JV bzw. schon seine Vorlage *YMo als mit DSC oder APK kontaminierter Abkömmling von *YMw eingestuft werden. Ohne Heranziehung der übrigen Handschriften des Pantheon -- in denen nach Zeugnissen für *YM und *YMo zu suchen wäre -- und ohne Heranziehung der arabischen Überlieferung läßt sich eine sichere Antwort, wenn überhaupt, selbstverständlich nicht finden. Als nächstliegende Lösung bleibt jedoch einstweilen dasjenige Stemma, das ohne Annahme einer Kontamination auskommt, vorzuziehen. | |
Anmerkungen | |
{*} | Zuerst erschienen in AA.VV., De orbis Hispani linguis litteris historia moribus: Festschrift für Dietrich Briesemeister zum 60. Geburtstag, hrsg. von Axel Schönberger und Klaus Zimmermann, Frankfurt a.M.: Domus Editoria Europaea, 1994, I, 523-538; die elektronische Version folgt der gedruckten Ausgabe mit geringfügigen Abweichungen in der Typographie und Zitierform und mit Berichtigung einiger Druckfehler. |
{1} | Der arabische Text wurde von TIEN (1888) herausgegeben. Zu den arabischen Handschriften siehe die ergänzenden Hinweise von MUÑOZ SENDINO (1949: 340-341). Teile des arabischen Textes in englischer Übersetzung und Paraphrase bietet MUIR (1882, mir nicht verfügbar). Mangels eigener Kenntnis des Arabischen habe ich selber mich auf die Analyse der lateinischen Adaptionen beschränkt. |
{2} | Ich stütze mich besonders auf D'ALVERNY 1948: 69-113, D'ALVERNY 1956, D'ALVERNY 1965: 591-593, 599-602, KRITZECK 1956, KRITZECK 1964: 56-61, 101-107); vgl. außerdem die Einleitung von MUÑOZ SENDINO 1949. Nicht verfügbar war mir ABEL 1964. |
{3} | Vinzenz von Beauvais, Speculum historiale, Buch XXIII, Kap. 39-67, S. 912-922; die Exzerpte beginnen Kap. 40, S. 92s. mit der aus dem Incipit der DSC übernommenen Quellenangabe. |
{4} | Zur Entstehungsgeschichte dieser Ausgabe siehe KRITZECK 1964: S. vii. |
{5} | Nach D'ALVERNY 1948: 96 |
{6} | Die Ausgabe von MUÑOZ SENDINO (1949), die ich meiner Untersuchung zugrundegelegt habe, beruht auf zwei Handschriften der von Cluny ausgegangenen Fassung, berücksichtigt jedoch die übrigen Handschriften nicht, unter denen D'ALVERNY (1948: 77-78, 108-113, vgl. KRITZECK 1964: 73-74), das Manuskript Paris, Bibliothèque de l'Arsenal, n° 1162, als die älteste, noch in Spanien geschriebene Handschrift der Collectio Toletana erwiesen hat. Eine von D'ALVERNY und ABEL angekündigte, dringend zu wünschende Neuausgabe ist meines Wissens nicht zustandegekommen. |
{7} | Mein Corpus erhebt keinen Anspruch, schon alle oder auch nur alle erheblichen Zeugen zu erfassen: verwiesen sei besonders auf den Index von DANIEL ²1962: 445 s.v. «Risalah», der die Auffindung einer Vielzahl von weiteren Texten ermöglicht, deren Stellung in der Tradition der APK zu prüfen und bei der Lösung der von mir diskutierten Probleme eventuell zu berücksichtigen wäre. |
{8} | Die Ausgabe von CERULLI (1949: 417-427), auf die ich angewiesen bin, bietet in den Anmerkungen hilfreiche historische und sprachliche Erklärungen zu den arabischen Eigennamen, weckt aber Zweifel an der Verläßlichkeit der Wiedergabe der Handschrift, da der Text und die in den Anmerkungen nochmals zitierten Textstellen des öfteren divergieren. Zur benutzten und den übrigen Handschriften des Pantheon macht CERULLI keine näheren Angaben, falls seine Formulierung «dò per la prima volta qui di seguito il testo, conservatoci dal Codice Vaticano Lat. 2037» (S. 417) nicht besagen will, daß die Ystoria Magometh in anderen Handschriften des Pantheon nicht erhalten sei. Zu den Handschriften des Pantheon siehe stattdessen WAITZ (1872: 14ss.). |
{9} | WAITZ 1872: 17, D3, gefolgt von NOGARA 1912: 421, n° 2037, jeweils ohne Angaben zur geographischen Herkunft. |
{10} | Vgl. WAITZ 1872: 3. |
{11} | Von WAITZ (1872: 10), falls der fragliche Text gemeint ist, als in der zweiten Redaktion gegenüber Red. 1 neu hinzugekommene 'Historia Machometi' (l.5) und «Historia de lege et natura et natura Saracenorum et de vita et origine et lege Machomet prophetae eorum» (Zeile 10-11) bezeichnet. |
{12} | Vgl. WAITZ (1872: 280), wonach die Particula XXVIII eine von ihm ausgelassene «Historia de lege et natura Sarracenorum et de vita et origine et lege Machomet prophete eorum que fuit et cepit temporibus Eraclii Romanorum imperatoris» enthält, deren Text mit «Sarraceni» anfängt und mit «occidatur» endet, und deren Incipit im Inhaltsverzeichnis lautet (falls die unklaren Angaben S. 128, zu Particula XXVIII, n° 1-2, so zu verstehen sind, daß n° 2 das Incipit von n° 1 ist): «Incipit de eodem Machometh ystoria, quem Sarraceni colunt et venerantur a tempore Eraclii imperatoris Romanorum et Grecorum». Das Incipit entspricht dem Incipit der Handschrift CERULLIS (YM1), aber der Text «Sarraceni»---«occidatur» ist offenbar ein teilweise anderer, nämlich umfangreicherer als in YM1 («Homo ille»---«occcidatur») und wäre in seinem Anfang mit dem Anfang «Sarraceni»---«Homo iste» des von mir unten als YM2 eingeordneten Exzerptes von Matthäus Paris zu vergleichen. |
{13} | Für die Arbeit von DANIEL (²1962), dessen Auffassung sich mit dem Ergebnis meiner eigenen Untersuchung weitgehend deckt, stand mir die 1. Ausgabe von 1960 nicht zur Verfügung. |
{14} | CERULLI (1972: 75-76) geht später bei der Behandlung der Tradition verschiedener Wundererzählungen (von der Teilung des Mondes, vom vergifteten Lamm) auf die Frage der Quelle des Textes nicht mehr ein, beansprucht YM1 aber erneut als einen Text von Gottfried von Viterbo «scrivendo poco dopo 1186» (S. 76) |
{15} | Jakob von Vitry, Historia orientalis, Kap. 4-7, hrsg. von MOSCHUS (1597), S. 8-33, erhalten auch in altfranzösischer Übersetzung, hrsg. von Buridant (1986), siehe dort S. 5-72. |
{16} | Zur Frage der Datierung, bei welcher der Beginn der Arbeit 1219 aufgrund der Aussagen des Prologes unstrittig ist und 1221 als 'terminus ad quem' nicht für die Historia orientalis, sondern auch schon für den zweiten Teil der geplanten Trilogie, die Historia occidentalis, in der Diskussion ist, siehe FUNK 1909: 130-133, HINNEBUSCH 1972: 16-20, BURIDANT 1986: 10-11. |
{17} | Während die Angaben zum Nachfolgestreit in JV Kap. 7, S. 32-33 mit der Darstellung in YM1/YM2 und mit DSC (S. 410) bzw. APK zu vergleichen sind, beruht Kap. 8, S. 33-34, offenbar auf den historisch korrekteren Angaben von Wilhelm von Tyrus, Chronicon, Buch XIX, Kap. 21 (datiert 1181), hrsg. von HUYGHENS (1986: 890-891), die auch Oliver von Köln, Historia regum terre sancte (verfaßt 1219/20 in Ägypten während der Belagerung von Damiette), Kap. 56, hrsg. von HOOGEWEG (1894: 122), aus Wilhelm von Tyrus übernimmt. Zu der Vermutung Zachers, daß JV stattdessen Wilhelms ältere und verlorene Schrift De gestis orientalium principum benutzt habe, und zwar auch schon in den vorhergehenden Kapiteln 4-7, siehe FUNK (1909: 133-135), der dies für wahrscheinlich hält, aber außer SH keine weiteren Zeugen der APK zum Vergleich heranzieht und außerdem die Schwierigkeit der Vorstellung offenbar nicht ermißt, daß ausgerechnet ein über die Nachfolger Mohammeds so gut informierter Chronist wie Wilhelm von Tyrus eine ähnlich falsche Darstellung wie JV Kap. 7 produziert (bzw. aus der Tradition der APK reproduziert) und diese Darstellung dann auch im Chronicon noch zur Lektüre empfohlen haben könnte. Als Verfasser der Vorlage von JV Kap. 4-7 scheidet Wilhelm von Tyrus meines Erachtens aus. |
{18} | Vgl. JV: «ex quibus [sc. mulieribus] quotcumque vellent filios generarent», YM1: «Item quod filios masculos aud feminas in coitu procreare desideraverint, tot procreabunt», YM2: «Idem quotquot filios masculos aut feminas in coitu procreare desideraverit, tunc procreabit», ohne Entsprechung in DSC. |
{19} | DANIEL ²1962: 11-12, 230-231, 377 Anm. 6, vgl. auch DANIEL 1975: 238. |
{20} | Wilhelm von Tripolis, Tractatus de statu saracenorum (verfaßt 1273), hrsg. von PRUTZ (1883: 573-598), hier Kap. I-III, S. 576-577, zu vergleichen mit JV «E andando giovane garzone» bis «vivendo con loro a comune di ruberie e d'ogni male acquisto» |
{21} | Da in einer der von PRUTZ (1883: 574) benutzten Handschriften des 14. Jahrhunderts (Paris, B.N. fonds latin 5510) der Tractatus von Wilhelm von Tripolis der Historia orientalis von Jakob von Vitry nachgestellt ist, dürfte das Kapitel Villanis auf Benutzung einer derartigen Zusammenstellung beider Texte beruhen. |
{22} | Hrsg. von FANFANI 1866-74, Band I: 598-603. |
{23} | AF S. 598-599: «Questo scrive la Cronica Martiniana: Nel torno di seicento anni dalla incarnazione di Cristo, al tempo d'Eraclio imperadore, et di Costantino suo figliuolo, nel paese d'Arabia, nella città di Lamech, fu uno falso Profeta...» (etc.), vgl. GV: «Nei detti tempi, quasi intorni di 600 anni di Cristo, nacque nel paese d'Arabia nella città di Lamech, uno falso profeta...» (etc.). Nur die Einordnung «al tempo d'Eraclio imperadore, et di Costantino suo figliuolo» (AF) läßt sich tatsächlich auf Martin von Troppau zurückführen, da dieser seine kurzen Angaben zu Mohammed in der Abteilung «Eraclius cum Constantino filio suo imperavit annis 31» untergebracht hat (Ausgabe von WEILAND 1872: 457). |
{24} | Diese Genealogie der Vorfahren seit Abraham YM2 S. 344-345 ist angefügt an eine kurze Erklärung der drei Völkernamen 'Saraceni', 'Agareni', 'Ismaelitae', die ähnlich auch in JV erscheint, aber nicht arabischer Herkunft, sondern Gemeinplatz einer patristischen Tradition ist, welche DÖRPER (1993) im lateinischen Schrifttum bis auf Hieronymus zurückgeführt hat. Die Genealogie selber beruht dagegen ersichtlich auf arabischer Tradition, ist aber nicht identisch mit der Genealogie der Vorfahren seit Adam, die (vgl. KRITZECK 1964: 84ss.) von Hermannus Dalmata vor Juni 1143 für die Collectio Toletana übersetzt wurde, De generatione Machvmet, hrsg. von BIBLIANDER (1543: 201-212), Auszug bei CERULLI (1972: 281-291). Der in YM1 in der Handschrift Cerullis fehlende Anfang von YM2 «Sarraceni» bis vor «Homo iste...», der die Erklärung der Völkernamen, die Genealogie Mohammeds und einen Zusatz von Matthäus Paris enthält, scheint wenigstens teilweise auch in den denjenigen Handschriften des Pantheon zu stehen, die im Unterschied zu Cerullis Handschrift nicht mit «Homo ille», sondern mit «Sarraceni» beginnen, siehe oben Anm. 13. |
{25} | Dafür, daß YM1 unabhängig ist von YM2 (zumindest in der Ausgabe von Luard), spricht z.B. der Name «Gotba filius Gabaz et Hibenchamaii» YM1 ('Guttheba, filius Abihacadj' DSC), ausgelassen in YM2, der Ortsname «Jamboech» YM1 («Iambo» DSC) vs. «Maboeth» YM2 für Yanboc (CERULLI 1949: 419 Anm. 12), oder der Name «Roiana» YM1 («Reihana» DSC) vs. «Ramath» YM2 für Mohammeds Konkubine Roiana (CERULLI 1949: 422 Anm. 1). Unabhängig von YM1 zeigt sich YM2 z.B. in «Alcharith» YM2 («Alaharathi» DSC) vs. «Archalit» YM1 für al-Harit (CERULLI 1949: 419 Anm. 1), «Gaif Ajunacaz» YM1 («Zaid, filius Ebihacad» DSC) vs. «Gaif» ohne Patronym YM1 für Sacd, Sohn des Abu Waqqas (CERULLI 1949: 419 Anm. 4), oder «Raghata Alazari» YM2 («Ragahaalenzari» DSC) vs. «Reghata Aluzan» YM1 für Rawaha und al-Hazragi (vgl. CERULLI 1949: 420 Anm. 1), oder in der Benennung von Zayds Frau Zaynab («Habebat Machomet servum nomine Zeid, cuius uxor speciosa erat valde, nomine Zemah, quam ipse Machomet multum diligebat» YM2), deren Name in YM1 dem Ehemann selber zufällt («Habebat Machometh servum nomine Zeinab, quem ipse Machomet multum diligebat» YM1, dort aber später auch richtig «Zeinab filia Gaazi uxor Zeit»). |
{26} | Daß der Name Yatrib (CERULLI 1949: 418 Anm. 4) für Medina in YM1/YM2, aber nicht in DSC erscheint («cum de civitate veniret ad Mecham» DSC, «Quadam die veniebat a civitate Ieruet ad Macam» YM1, «Quadam autem die veniebat a civitatibus Jerveth et Matham» YM2, vgl. JV: «Quadam die dum de ciuitate Matham veniens»), könnte ebenfalls Unabhängigkeit gegenüber DSC indizieren, aber auch auf einer Lücke der von MUÑOZ SENDINO benutzten Handschriften beruhen. Aussagekräftiger ist vielleicht, daß YM1/YM2 (und JV) das Opfer des ersten Raubes und den Gegner bei der ersten Expedition gegen Mekka als ein und dieselbe Person erkennen («cujus camelum rapuerat Machomet» YM1 und YM2, «cuius camelum Mahometus abstulerat» JV) und (nicht so JV) jeweils beim Namen nennen, während DSC den Beraubten nur als «hominem camelum habentem» bezeichnet und den Gegner bei der ersten Expedition nur bei seinem Namen nennt, ohne die Gleichheit beider Personen erkennbar zu machen. |
{27} | Vgl. CERULLI (1972: 75-76), der aber YM2 und JV nicht berücksichtigt. Der von ihm zusätzlich angeführte Beleg aus der Legenda aurea von Jakob von Voragine ist abhängig von JV. |
{28} | DANIEL (²1962: 377 Anm. 6), der die Erzählung des Mondwunders ebenfalls schon als distinktives Merkmal von YM1/YM2 und JV gegenüber DSC erkennt, weist außerdem darauf hin, daß einer der von mir selbst nicht untersuchten Texte, die 1550 unter dem Namen von Johannes von Wales gedruckte, aber in Spanien entstandene und möglicherweise von Ramon Martí (13. Jh.) verfaßte Reprobatio quadruplex diese Wundererzählung al-Kindi zuschreibe. Die arabische Verfasserfiktion der APK ist weder in den bekannten Texten des Typs YM bewahrt, die auch die Briefform nicht mehr erkennbar halten, noch in der DSC, die die Namen der Verfasser beider Briefe ausdrücklich verschweigt («Horum duorum nomina aliqua de causa scribere recusavimus» S. 377) und auch wegen des fehlenden Mondwunders nicht die Quelle der Reprobatio gewesen sein kann. Aus der Zuschreibung der Reprobatio läßt sich jedoch noch keine lateinische Redaktion *YM, in der die Verfasserfiktion noch bewahrt gewesen wäre, erschließen, da der Verfasser der Reprobatio laut DANIEL vielfach arabische Quellen benutzt hat und also wohl auch in der Zuschreibung des Mondwunders eher von arabischer Quelle abhängen wird. |
{29} | Dazu DANIEL (²1962: 97-100) mit weiteren Belegen für diese Erzählung, unter denen besonders Fidentius von Padua (ebenda S. 97, vgl. auch S. 92, dort aber abweichend von der Tradition YM und anscheinend übereinstimmend mit DSC und SH) zu prüfen wäre. |
{30} | CERULLI (1972: 68-69), der die Aussagen zum Scheidungsrecht in DSC, bei Eiximenis und bei GV vergleicht, findet bei letzterem «il dato autentico dell'istituto giuridico [...] curiosamente collegato con un altro motivo, abusato, della polemica medievale occidentale; e cioè con l'unione di Maometto con la moglie di Zayd ibn Harith», verkennt aber, daß GV auf JV beruht und ein allgemeines Merkmal aus der lateinischen Tradition YM reproduziert. |
{31} | In der Ausgabe von MUÑOZ SENDINO (1948) heißen die Namen «Uheben, filius Mume, Abdalla filius Celemin et Chabin, qui cognominabatur Alhahbarc» (S. 414, vgl. S. 397: «Uehben, filium Mume, et Abdalla, filium Celehmin, et Chabin»). KRITZECK (1964: 105), der sich für den Text von DSC nicht auf diese Ausgabe, sondern auf die älteste Handschrift (Arsenal, n° 1162) stützt, referiert die Stelle so, daß man annehmen muß, daß dort nicht drei, sondern nur zwei jüdische Lehrer (cAbdallah ibn-Salam und Kacb al-Ahbar) genannt sind. Petrus Venerabilis, Summa totius haeresis saracenorum, hrsg. von KRITZECK (1964: 204-211), dessen die Collectio Toletana einleitender Text auf DSC beruht, spricht dort nur von 'Iudei adiuncti heretico [i.e. Sergio]' (S. 205), ohne deren genaue Zahl oder Namen anzugeben. |
{32} | Als Schwiegervater Mohammeds wird cUmar in den Katalogen der fünfzehn Frauen Mohammeds im Patronym der vierten («Aça filia Gomar» YM1, «Aza filia Gomar» YM2, nicht JV, vgl. «Hafcetu, filia Guma» DSC) angeführt. |
{33} | Vgl. den vermeintlichen Ortsnamen «Calingua» bzw. «Salingua» in «Qui eo tempore idola colebant in loco qui dicitur Calingua et Alguze» YM1, «qui eo tempore idola colebat in loco qui dicitur Calingua, etiam et Aliguze» YM2, «a quodam homine Gentili & Idololatra, qui nutriuit eum in illo loco Arabie, qui dicitur lingua eorum Salingua» JV. Laut CERULLI (1949: 417 Anm. 5) liegt Verderbnis eines erschließbaren Textes 'arabica lingua Bet Alguze' vor, der nicht den Namen des Ortes (Mekka), sondern den der dort verehrten Göttin al-cUzza meint. Weder diese Korruptele, noch ihr von Cerulli konjizierter Text erscheint in DSC, sondern die richtige, aber anderslautende Übersetzung «Ipse vero postea cultor fuit ydolorum, que vocantur ellech et allaze in Mecha». |
{34} | Vgl. CERULLI 1949: 419 Anm. 1-3. |
{35} | «ut diceret datum renibus suis a deo XL viros potentissimos in coitu fortitudine libidinis adequare» (DSC), «iactans se solum supra quadraginta homines ex diuino munere virtutem generatiuam habere, & coëundi supereminentem potestatem a Deo accepisse» (JV, übernommen auch von GV/AF). Vgl. DANIEL1962: p.96-97, 346 Anm. 50. |
{36} | Oliver von Köln, Epistola salutaris regi Babilonis, hrsg. von HOOGEWEG (1894: 296-397, hier 299): «doctor tuus publice profitetur in libro suo, quem quidam Judeus et Sergius monachus apostata dictabant, se litteras ignorasse et gratiam miraculorum non habuisse». Da die Parallelen dieses Briefes zur APK geringfügig sind und als möglicherweise nur gattungsspezifisch bedingte meines Erachtens nicht hinreichen, die Quelle (DSC, APK oder *YM?) präzise zu bestimmen, habe ich darauf verzichtet, diesen Text in mein Corpus aufzunehmen. Zur Entstehung des Briefes, der im Unterschied zu JV zwar nicht mehr in Damiette, aber kurz nach dem Verlust von Damiette (8. September 1221) noch im selben Monat wahrscheinlich in Akkon verfaßt wurde, siehe HOOGEWEG 1894: S. CLXII, dazu S. XXXII. |
{37} | JV Kap. 5, S. 17s.: «Porcus autem ille & canis immundus in tantum libidinus feruorum exarsit, quod ipse alijs concessit modum turpitudinis, quo in proprijs vxoribus abutebatur. Ait enim in libro suo quem vocat Alchoranum: Si vxores vel ancillas habetis, ipsas pro modo vestro ad voluntatem vestram parate [vgl. Koran 2,223]. pro quo execrabili verbo statim viuus deberet concremari. Per hoc enim latenter vitium Sodomiticum hostis nature in populo suo introduxit. Vnde ipsi ex maxima parte non solum in vtroque sexu, sed etiam in brutis turpitudinem abusiue operantes, facti sunt, sicut equus & mulus quibus non est intellectus. Asserunt enim ad perniciosam sui excusationem quod re propria ad omnem voluntatem & voluptatem suam quilibet licite possit vti.» |
{38} | Die einschlägigen Stellen aus den Glossen der Collectio Toletana im Ms. Arsenal 1162 und aus den nicht in diese Sammlung aufgenommenen Capitula von Petrus von Poitiers hat KRITZECK (1956: 191 § 3) zusammengestellt, weiteres Material bietet die Appendix E von DANIEL (²1962: 320-321, vgl. ebenda 141-146). Auf welche Textstellen die fraglichen Glossen der Collectio Toletana («id est, in uulua uel ano, quod sequitur maxima pars sarracenorum abutens ano», «Nota.. Turpissimum preceptum, pro quo solo debuisset incendi...») sich beziehen, wird in den Ausführungen von Kritzeck nicht ganz klar. Falls sie, wie es scheint, im Zusammenhang mit der von Kritzeck erläuterten Sure 2,223 stehen (in der Übersetzung von Robert von Chester: «O uiri, mulieres subiectas penitus pro modo uestro ubicumque uolueritis», in der Übersetzung der Capitula von Petrus von Poitiers: «O uiri, mulieres nobis subiectas ex quacumque parte uobis placuerit perarate», vgl. JV: «Si vxores vel ancillas habetis, ipsas pro modo vestro ad voluntatem vestram parate», weiteres bei DANIEL ²1962: 320-321), liegt eine ähnliche Mißdeutung der Pflugmetaphorik dieser Sure vor wie bei Jakob von Vitry. Daß letzterer eine möglicherweise mündlich vermittelte, in jedem Fall aber spezifisch spanische Polemik aufgreife, meint DANIEL ²1962: 141. |
{39} | Oliver von Köln, Epistola salutaris regi Babilonis, hrsg. von HOOGEWEG (1894: hier 298-299 und 302): «Preterea, quod hiis deterius est, lex mortis docet, neminem in sua re peccare posse. Hec perditionis doctrina peccatum contra naturam et crudelitatem contra servos et ancillas induxit», «Recte appellatus es Kemel, quod interpretatur consummatus, quod in politicis virtutibus reges et principes antecedis, de hoc precipue commendandus, quod immunis esse diceris a crimine pessimo, quo gens tua laborat, publice statuens ephebiarum abominationes et multiplicans offensiones in stagnum ignis et sulphuris» (vgl. Apc 20,9). Der Bezug zu Sure 2,223 ist hier, anders als bei JV, nicht gegeben. Auf welche Sure oder welchen Spruch des Propheten «neminem in sua re peccare posse» (vgl. JV: «quod re propria ad omnem voluntatem & voluptatem suam quilibet licite possit vti») zurückgehen könnte, habe ich nicht ermittelt. |
Literaturverzeichnis | |
ABEL, ARMAND (1964): «L'Apologie d'al-Kindi et sa place dans la polémique islamo-chrétienne», in: AA.VV., L'Oriente cristiano nella storia della civiltà: Atti del Convegno internazionale, Roma 31 marzo -- 3 aprile 1963, Roma: Accademia dei Lincei (= Problemi attuali di scienza e cultura; 62), 501-524 | |
D'ALVERNY, MARIE-THÉRÈSE (1948): «Deux traductions latines du Coran au moyen âge», in: Archives d'histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 22/23, 69-131 | |
D'ALVERNY, Marie-Thérèse (1956): «Quelques manuscrits de la Collectio Toletana;», in: Studia Anselmiana 40, 202-218 | |
D'ALVERNY, MARIE-THÉRÈSE (1965): «La connaissance de l'Islam en Occident du IXe au milieu du XIIe siècle», in: AA.VV., L'Occidente e l'Islam nell'Alto Medioevo. 2-8 aprile 1964, Spoleto: presso la sede del Centro (= Settimane di Studio del Centro Italiano di Stui sull'Alto Medioevo; 12), II, 577-602 | |
BIBLIANDER, THEODORUS (1543) (Hrsg.): Machumetis Saracenorum principis, eius'que successorum vitae, ac doctrina; ipseque Alcoran [...] quae ante annos CCCC [...] D. Petrus abbas Cluniacensis per uiros eruditos, ad fidei Christiane ac sanctae matris Ecclesiae propugnationem, ex Arabica linga in Latinam transferri curauit. [...] opera et studio Theodori Bibliandrii [...], Teil I, ohne Ortsangabe [Basel], 1543 | |
BURIDANT, CLAUDE (1986) (Hrsg.): La Traduction de l'Historia Orientalis de Jacques de Vitry, Paris: Klincksieck (= Bibliothèque française et romane; 19) | |
CERULLI (1949), ENRICO: Il «Libro della Scala» e la questione delle fonti arabo-spagnole della Divina Commedia, Città del Vaticano: Biblioteca Apostolica Vaticana (= Studi e Testi; 150) | |
CERULLI, ENRICO (1972): Nuove ricerche sul libro della Scala e la conoscenza dell'Islam in Occidente, Città del Vaticano: Biblioteca Apostolica Vaticana (= Studi e Testi; 271) | |
D'ANCONA, ALESSANDRO (1888): «Il Tesoro di Brunetto Latini versificato», in: Memorie dell'Accademia dei Lincei, Classe di scienze morali storiche e filologiche, serie IV, 4, parte 1a, 111-274 | |
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